Dagewesen

Dagewesen-2020-IBG, 2020, Kunststoff-Graphit-Mischung, verschiedene Maße, ortsspezifisch und variabel

Beitrag für die Ausstellung und Wettbewerb „Identität“, Ignaz-Bu- bis-Gemeindezentrum , Frankfurt am Main 22.10. – 15.11.2020

Katalogtext

Paul Schuseil nähert sich dem Thema Identität zunächst assoziativ und konsultiert in der Folge Lexika, die Identität mit „Echtheit“, „Selbst“ und „Übereinstimmung“ umschrei- ben.

Besonders letzteren Begriff macht sich der
Künstler für seine bildhauerische Praxis zu eigen. Metallene Konstruktionen, mit dem eigenen Körper abgeformt,
wirken als prothesenartige Stützen, helfen bei der Einnahme komplizierter, verworrener Posen. Sie offenbaren
formal zunächst keinen erkennbaren Bezug, zitieren
jedoch häufig in der klassischen Malerei eingenommene Posen von Modellen und Bildakteuren. Paul Schuseil hinterfragt mit seinen Arbeiten die Potenziale der Plastik, die zwar schon lange vom Sockel gehoben wurde,
seit den Nullerjahren jedoch verstärkt prozessuale, interakti- ve
Ansätze offenbart.
Ausgangspunkt der Arbeit Dagewesen-2020-IBG ist das

Identitätssymbol per se: der Fingerabdruck, der nicht selten mit Identifizierbarkeit – bei Wahlen, Reisen oder anderswo – assoziiert wird. Der Künstler bewegt sich dabei im Spannungsfeld von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit.

Mit seinen Arbeiten im Foyer des Ignatz Bubis- Gemeindezentrums hinterlässt er subtile Interventionen im Raum. So unbemerkt der eigene Fingerabdruck auf Geländern, an Türrahmen oder Türklinken verbleibt, so latent bewegt sich der Künstler für Dagewesen-2020-IBG in den Räumen des Gemeindezentrums und hält dieses vermeintlich Unbemerkte in seinen skulpturalen Arbeiten fest. Die Besuchenden werden auf ebenso unvermittelte Weise und an unerwarteten Orten mit den Arbeiten konfrontiert, die ein Substitut für Berührung sind. Paul Schuseil formuliert so eine zeitgemäße Antwort auf die Potenziale der Skulptur.

Text: Daniela Lewin, Sonja Roos

(Untere Fotozeile  © Jüdische Gemeinde Frankfurt am Main)